
Einer neueren Studie1 zufolge sind etwa 30 Prozent der Bevölkerung hochsensibel. Das ist immerhin fast jede dritte Person! Die Wahrscheinlichkeit, dass also entweder du selbst oder jemand aus deinem näheren Umfeld hochsensibel ist, ist sehr groß. Dieser Beitrag ist daher nicht nur interessant für dich, wenn du selbst hochsensibel bist, sondern kann auch das Verständnis für deine Mitmenschen steigern.
Hochsensible Menschen (kurz HSP genannt, von Highly Sensitive Person) haben ein empfindsameres Nervensystem als durchschnittlich sensible Menschen. Das heißt, sie nehmen mehr Sinneseindrücke wahr und verarbeiten die Reize auch intensiver. Dadurch sind sie auch schneller überreizt und überlastet. Dies kann sich auf Reisen beispielsweise unter anderem durch Unwohlsein an überfüllten Orten, Beeinträchtigungen durch Lärm oder Gerüche, Gereiztheit bei Überstimulierung bis hin zu Panik bei Menschenmassen zeigen.
Wichtig vorab zu erwähnen ist, dass es sich bei der Hochsensibilität um KEINE Krankheit oder psychische Störung handelt, sondern um ein Persönlichkeitsmerkmal. Da unsere Persönlichkeit aus einer Vielzahl von Eigenschaften geformt wird, ist die Hochsensibilität lediglich EIN Wesensmerkmal von vielen. Daher gleicht auch kein hochsensibler Mensch dem anderen. Wir sind alle individuell. Dennoch kann man sagen, dass viele HSPs einige Überschneidungen und Gemeinsamkeiten aufweisen.
Beim Reisen als hochsensibler Mensch geht es neben der Vermeidung von Reizüberflutung und Stress auch oft um die Themen Abgrenzung, Anpassung, Bedürfnisse wahrnehmen und kommunizieren sowie Selbstfürsorge und Selbstannahme.
Nachstehend habe ich dir meine 10 besten Tipps für entspannteres Reisen als hochsensibler Mensch zusammengestellt.
Reisen als hochsensibler Mensch – 10 Tipps für entspannteres Reisen
Die folgenden 10 Tipps sollen dir helfen, unnötigen Stress beim Reisen zu vermeiden, Risiko zu minimieren sowie mehr Akzeptanz für dich und deine besondere Wesensart zu entwickeln.
Tipp #1: Gute Planung gibt Sicherheit

Reisen kann auch Stress bedeuten – vor allem, wenn man hochsensibel ist.
Das Risiko lässt sich jedoch durch gute Vorbereitung und Planung minimieren. So habe ich beispielsweise bei meiner Reise mit dem Zug durch Südfrankreich alle Unterkünfte im Vorhinein gebucht sowie alle Tickets vorab gekauft. Das gab mir als Alleinreisende die notwendige Sicherheit. Bei meinem Wander-Abenteuer durch die Highlands von Albanien habe ich mich hingegen einer Gruppe inklusive einheimischen Guide angeschlossen, was für mich perfekt gepasst hat.
Auch ein etwaiges Mietauto reserviere ich beispielsweise immer vor Reiseantritt. Auch Reise-Checklisten und Packlisten können helfen.
Wie du siehst, musst du also – auch wenn du weniger risikoaffin bist – weder generell aufs Reisen noch auf Abenteuer verzichten, sondern sorge einfach für die notwendige Absicherung, die DU brauchst.
Tipp #2: Nie ohne Ohropax
Viele Hochsensible sind sehr geräusch- und lärmempfindlich. Auch ich gehöre dazu und kann beispielsweise nur schlafen, wenn es komplett ruhig ist. Ich reise daher seit Jahren nur noch mit Ohropax im Gepäck. Natürlich kommt es auch vor, dass diese nicht zum Einsatz kommen, aber es beruhigt mich zu wissen, dass ich sie für den Notfall immer dabei habe.
Tipp #3: Unnötigen Stress vermeiden
Sei es Zug, Flug oder Bus – ich bin für gewöhnlich frühzeitig vor Ort – einfach, weil es mir Sicherheit gibt und ich dadurch unnötigen Stress vermeide. Lieber sitze ich 2 Stunden früher am Gate als 2 Minuten vor Abflug abgehetzt in der Abflughalle anzukommen. Das kann bei gemeinsamen Reisen schon mal dazu führen, dass ich alleine vorausfahre und dann am Gate auf die anderen warte. 😀
Tipp #4: Ruhe & Pausen gönnen

Gerade wenn man mit anderen Menschen zusammen unterwegs ist, ist es essenziell, ganz genau auf die eigenen Grenzen und Bedürfnisse zu achten. Ich liebe es beispielsweise, tagsüber die ganze Stadt oder Gegend zu erkunden, aktiv zu sein und viel zu erleben, falle dann aber abends komplett k.o. ins Bett und schaffe es oft nicht mehr, noch (r)auszugehen. Ich brauche nach so vielen Eindrücken einfach eine Pause, Ruhe und manchmal auch Rückzug (also Zeit alleine). Mir dessen bewusst zu sein, ist die Voraussetzung, um es auch meinen Mitreisenden entsprechend kommunizieren zu können.
Die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen ist jedoch nur die halbe Miete. Man muss sie auch umsetzen und ggf. kommunizieren sowie Grenzen setzen.
Tipp #5: Grenzen setzen
Wenn du das Gefühl hast, etwas Ruhe und Zeit für dich selbst zu brauchen, dann handle auch danach – unabhängig davon, ob die anderen nun (auch) eine Pause brauchen. Jeder Mensch ist anders und hat andere Bedürfnisse. Sorge daher auch auf Reisen gut für dich und achte auf deine Bedürfnisse!
Wer längere Zeit über seine Grenzen geht, riskiert seine psychische und physische Gesundheit.
Tipp #6: Achte auf deine optimale Versorgung

Viele hochsensible Menschen leiden unter Nahrungsmittelunverträglichkeiten und/oder -allergien und ein Großteil der HSP ernährt sich vegetarisch oder vegan. Auch das gilt es unbedingt bei der Reiseplanung zu berücksichtigen. Gibt es am Zielort glutenfreies Brot? Wird im Hotel Sojamilch angeboten? Und wie sieht es mit veganen Restaurants aus? Das sind alles absolut legitime Fragen, die du dir vor einer Reise stellen darfst, schließlich geht es um deine optimale Versorgung.
Aus Erfahrung weiß ich, dass viele Menschen – vorrangig jene, die alle Lebensmittel problemlos vertragen und sich keinerlei Gedanken machen müssen – das schnell als kompliziert und mühsam abstempeln. Auch in solchen Fällen ist es essenziell, bei DIR und DEINEN Bedürfnissen zu bleiben.
Ein weiterer wichtiger Aspekt beim Thema Ernährung ist die sensiblere Reaktion auf Hunger und Durst. Während durchschnittlich sensible Menschen sowohl Hunger- als auch Durstgefühle oft viel länger aushalten, kann bei HSP das Hungergefühl sehr plötzlich einsetzen und zu stärkeren Reaktionen wie z.B. Gereiztheit, Kopfschmerzen oder Schwindel führen. Ich habe daher beispielsweise immer einen gesunden Snack wie Obst und Nüsse sowie meine Trinkflasche dabei.
Kleine Anekdote am Rande: Als wir nach Triest gefahren sind (die Autofahrt dauert etwa 5 Stunden), hatte ich Reiseproviant für 2 Tage dabei. 😀 Mein Mann schaut mich mittlerweile nur noch liebevoll an und lacht. 😀
Tipp #7: Selbstakzeptanz
Früher habe ich mir öfter schwer damit getan, wenn ich „anders“ war und scheinbar nicht mit den anderen „mithalten“ konnte. Heute weiß ich, was ich brauche und achte gut auf mich und meine Energie. Natürlich verpasse ich dadurch manchmal auch Dinge. Inzwischen sorgt das aber nicht mehr für innere Zerrissenheit und stundenlanges Grübeln, denn mein Wohlbefinden und meine Gesundheit haben oberste Priorität. Ein „Nein“ zu jemand anderem kann gleichzeitig ein „Ja“ zu mir selbst bedeuten.
Sich selbst sowie die eigenen Grenzen so anzunehmen, wie sie eben sind, ist mitunter das Herausforderndste an der Hochsensibilität.
Tipp #8: Bequeme Kleidung
Nichts nervt mich mehr, als wenn mich ein Etikett kratzt, die Strumpfhose juckt (okay, Strumpfhosen mag ich ohnehin generell nicht) oder der Jeansknopf mir beim Sitzen in den Bauch hineindrückt. Das kennen zwar vermutlich viele Menschen, aber mich als hochsensibler Mensch macht das fast irre und es fällt mir dann schwer, mich auf etwas anderes zu konzentrieren. Daher achte ich bereits bei der Reiseplanung darauf, extra bequeme Kleidung fürs Fliegen oder für den Zug einzupacken bzw. anzuziehen.
Tipp #9: Menschenmassen und Lärm meiden

Bei Städtetrips liebe ich es beispielsweise, frühmorgens loszuziehen und die Stadt zu erkunden, wenn es noch ganz ruhig ist und kaum Leute unterwegs sind – herrlich! Positiver Nebeneffekt: In den frühen Morgenstunden lassen sich auch wunderschöne Fotos machen. 😉
Des Weiteren buche ich sehr gerne Flüge am frühen Morgen, weil dann auf den Flughäfen noch viel weniger los ist als beispielsweise mittags oder nachmittags.
Ein weiterer Tipp, um Menschenmassen zu meiden, ist, auf die Nebensaison auszuweichen. Statt zu Ostern oder zu Pfingsten nach Rom zu fliegen empfehle ich beispielsweise Malta im November, Ljubljana im Oktober oder Hannover im Mai zu bereisen.
Auf der Suche nach einem Reiseziel? Dann schau dir diese 9 ideale Reiseziele für Hochsensible an!
Tipp #10: Reisetagebuch schreiben

Gerade auf Reisen prasseln unglaublich viele neue Eindrücke auf einen ein, man erlebt manches vielleicht sogar zum ersten Mal, lernt neue Leute kennen u.v.m. Da kann es sehr hilfreich sein, seine Gedanken zwischendurch zu sortieren und sich Zeit zu nehmen, das Erlebte auch mental zu verarbeiten. Ich habe daher immer (m)ein Reisetagebuch dabei.
Fazit: Reisen als hochsensibler Mensch
Du darfst dir deine Reisen so gestalten, wie sie für DICH am besten passen. Trenne dich daher von Schubladendenken à la „Reisen muss …“, „Andere machen es doch auch“, „Richtig wäre …“. Es gibt keine allgemeingültigen Regeln wie „Richtiges reisen“ auszusehen hat. Gestalte dir deine Reisen so, dass du dich wohlfühlst. Das ist das Einzige, das zählt. ❤
Ich hoffe, die Tipps waren hilfreich für dich! Lass mir doch gerne deine Gedanken zu diesem Thema da! Hast du dich in dem einen oder anderen Punkt wiedererkannt? Welchen Punkt würdest du noch ergänzen?
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1 Quelle: Lionetti, F., Aron, A., Aron, E.N. et al. Dandelions, tulips and orchids: evidence for the existence of low-sensitive, medium-sensitive and high-sensitive individuals. Transl Psychiatry 8, 24 (2018). https://www.nature.com/articles/s41398-017-0090-6
Photocredits: Das wunderschöne Titelbild stammt übrigens von Lichtbildwirkung.
🙂 Dein Beitrag kommt wie gerufen!
Da ich demnächst wieder ein paar Tage unterwegs sein werde, schreibe ich gerade meine Reiseliste zusammen und stelle wieder einmal fest, dass Packen für 3 Tage nicht weniger anstrengend ist als für eine Woche, wenn man möglichst wenig mitnehmen und trotzdem für alle Eventualitäten vorbereitet sein möchte.
Auf langen (Zug-)Fahrten nehme ich mir immer Essen und Trinken mit – ob Butterbrot, Nüsse, etwas Schokolade, Zuckerl Kaffee oder Tee, ich werde sicherlich nicht verhungern und verdursten. Die Erfahrung hat gezeigt, dass auch in Zügen Bordküchen ausfallen oder komplett überlastet sein können. Wenn mein Zuckerspiegel zu sehr absinkt, bekomme ich neben Kopfweh auch schnell schlechte Laune. Und das muss ja nicht sein, oder?
Ansonsten handhabe ich die Dinge ähnlich wie Du: Ich habe außerdem sicherheitshalber alle Fahrkarten und Impfzertifikate in Papierform dabei!
Schöne Woche und liebe Grüße
Claudia 🙂
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Wie schön! Das freut mich sehr, dass dir mein Beitrag gefallen hat und du dich auch wiedererkennen konntest. 🙂
Oh ja, das mit den ausgedruckten Unterlagen gibt definitiv auch Sicherheit! Danke für die Ergänzung! Ich wünsche dir einen wunderschönen Urlaub!
Liebe Grüße
Julie
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